Wenn es nach den drei Wissenschaftlern, Prof. Christian Wilhelm von der Uni Leipzig, Bioreaktorexperte Clemens Posten vom Karlsruher Institut für Technologie (KI) und dem Fachmann für Prozessführungsstrategien Norbert Räbiger von der Uni Bremen geht, stehen wir vor einer Revolution was die Nutzung des Sonnenlichts zur Energiegewinnung angeht.
Laut Statischem Bundesamt machen Wasser- und Windkraft, Solarstrom, Erdwärme und die Maisvergärung zu Biogas bereits zwanzig Prozent der deutschen Stromerzeugung aus. Alle Methoden zeichnen sich durch einen großen Nachteil aus: der so gewonnene Strom muss entweder sofort verbraucht oder in teuren Akkus gespeichert werden. Das hat zwei Dinge zur Folge, zum einen sind damit erhebliche Energieverluste verbunden und zum anderen sind hohe Investitionen nötig.
Hier zeigt Prof. Wilhelm in der Fachzeitschrift "Bioressource Technology" eine Lösung des Dilemmas auf. Er weist nach, dass man Sonnenlicht unter Mithilfe von Mikroorganismen direkt reines Erdgas umwandeln kann.
Wenn die großtechnische Umsetzung gelingt, dann hat man ein technisches Verfahren mit dem sich die Energie der Sonne direkt in einem Energieträger speichern lässt. Darüber hinaus gibt es dafür in Deutschland bereits eine Verteilerstruktur, nämlich das Erdgasnetz.
Prof. Wilhelm will das Methangas in einer Art Bio-Solarzelle direkt gewinnen. Er braucht dazu also keine Energiepflanzen, die auf Äckern wachsen, auf denen sonst Nahrungsmittel produziert werden sollten.
"Das Prinzip ist verblüffend einfach und von der Natur abgeschaut", sagt Prof. Wilhelm. Außerdem ist sein Verfahren kohlendioxid-neutral, also somit klimaunschädlich. Weiter argumentiert er: "Zur fotosynthetischen Energiegewinnung aus Sonnenlicht machen wir nicht den Umweg über die Biomasse-Produktion, denn dabei gehen 85 Prozent der Sonnenenergie bereits verloren. Stattdessen lenken wir den Stoffwechsel von Grünalgen so um, dass diese statt zu wachsen, die Sonnenenergie zur Bildung des Stoffwechselproduktes Glykolat einsetzen." Dieses Glykolat vergären im Anschluss Bakterien aus Biogasanlagen unter Luftanschluss zu Erdgas. Dabei ist das Erdgas so rein, dass es ohne aufwendige Reinigung direkt als Treibstoff oder zur Stromgewinnung in Blockheizkraftwerken verwendet werden kann.
Dass sich Grünalgen zur Glykolatproduktion verwenden lassen, weiß man schon länger, das Neuartige am vorliegenden Verfahren ist, dass dieser Vorgang mit der biologischen Umwandlung von Glykolat in Methangas mittels Bakterien verbunden wird.
Das Forschertrio erhielt im April 2011 vom Bundesforschungsministerium Geld, um die Studien so weit vorwärts bringen zu können, damit eine Anwendung im großen Stil ermöglicht wird. Bis 2014 erhalten die Forscher pro Jahr 500.000 Euro. Bereits jetzt ist klar, dass das Verfahren im Prinzip funktioniert. "Die Machbarkeit ist gezeigt. Jetzt gilt es, die biologischen Einzelteile weiter zu verbessern und in einer kostengünstigen technischen Lösung zusammenzuführen", sagt Wilhelm. Prof. Martin Kaltschmitt von der TU Hamburg-Harburg, berät die Wissenschaftler und ist optimistisch: "Das Projekt steckt zwar noch in der Grundlagenforschung, aber das Konzept ist hochinnovativ und lässt sich wahrscheinlich mit einem relativ geringen technischen Aufwand großtechnisch umsetzen."
Wie praxisbezogen die drei Wissenschafter denken sieht man unter anderem daran, dass sie bereits ein Nutzungskonzept im Hinterkopf haben. "Wir möchten die Bio-Solarmodule möglichst an den Randstreifen von Autobahnen installiert sehen. Dies hat gleich mehrere Vorteile: die Kommunen, denen diese Brachflächen gehören, schaffen durch Wartungsarbeiten für die Anlagen neue Arbeitsplätze und profitieren durch zusätzliche Steuereinnahmen. Sie werden damit zu Energieerzeugern", so Wilhelm. Außerdem, sagt er, befinden sich unter den Randstreifen häufig Erdgasleitungen, in die das Biomethan direkt eingespeist werden könne. Bei Voll-Ausbau könnten die Bio-Solarzellen zehn Prozent der Energiegrundlast in Deutschland abdecken.
Die Wissenschaftler könnten im jetzigen Stadium ihrer Forschungsarbeiten ihr Patent zu einem äußerst lukrativen Preis an einen Großkonzern verkaufen. Wilhelm meint aber, wichtiger wie Geld sei es, "einen Beitrag für eine nachhaltige Zukunft zu leisten".
Dem ist nichts hinzuzufügen.
Quelle: welt.de