Auch wenn die Regale voll sind: In den meisten unserer Supermärkte herrscht Sorten-Einfalt. Hier finden sich beispielsweise durchschnittlich nicht mehr als die immer gleichen fünf Apfelsorten, und das obwohl es grade vom Apfel - dem Lieblingsobst der Deutschen - tausende von Sorten gibt. Genauso sieht es bei anderen Obstsorten wie Pflaumen (ca. 2000 Sorten) oder Birnen (rund 1500 Sorten) aus, und auch die Gemüsevielfalt ist um ein Vielfaches größer, als unsere modernen Kaufhallen widerspiegeln.
Es ist die Logik des an Profit ausgerichteten Marktes, der sich auf das konzentriert, was am meisten Absatz verspricht. Und das sind eben Produkte, die leicht, billig und in großen Mengen zu beschaffen sind und sich am besten verkaufen. Da viele Landwirte dieser Markt-Logik ebenfalls folgen und nur das anbauen, was besonders nachgefragt wird, bleibt die Artenvielfalt auf der Strecke und immer mehr Sorten verschwinden.
Das ist mehr als schade, denn besonders die alten Sorten stehen nicht nur für geschmackliche Vielfalt und Besonderheit. Sie sind auch robuster, kommen wesentlich besser als moderne Züchtungen mit Schädlingen klar und sind meistens wesentlich besser in der Lage, sich an klimatische Veränderungen anzupassen.
„Vielfalt bedeutet nicht nur Abwechslung“, sagt deshalb der Inhaber einer pfälzischen Baumschule Herbert Ritthaler. Sie bedeute auch Sicherheit, denn wenn eine Sorte in einem Jahr ausfalle, weil zum Beispiel zur Blütezeit keine Bestäuber unterwegs gewesen sind, tragen immer noch die anderen Sorten. Außerdem bedeute Vielfalt auch bessere Anpassungsfähigkeit an klimatische Veränderungen, denn manche Sorten erweisen sich als robuster als andere.
Da das besonders für alte Sorten gilt, kümmert sich Ritthaler darum diese Sorten vor dem Verschwinden zu retten. Mit 12 Angestellten veredelt er junge Pflanzen mit Zweigen alter Bäume, die er bei Erkundungsfahrten durchs Land entweder selber aufspürt oder Menschen zu ihm bringen, denen der Erhalt alter Sorten ebenfalls am Herzen liegt.
(Der Birnen-König - Ein Mann rettet die alten Sorten. Mensch Leute, SWR Fernsehen)
Um die Artenvielfalt nicht unaufhaltsam dahinschwinden zu lassen, legen sich wie Herbert Ritthaler immer mehr Organisationen, Initiativen und engagierte Einzelkämpfer ins Zeug. Erwähnenswert hier vornweg sicher der Naturschutzbund (NABU), der unter anderem mit seiner Initiative Gartenarche im bergischen Land engagierte Menschen verbindet, die alte Sorten Anbauen und Saatgut produzieren. Oder der außergewöhnliche Verein Äpfel und Konsorten, der seit 2012 den Erhalt von Streuobstwiesen vor allem in Brandenburg fördert. Oder die Künstlerinitiative Apfelschätze, die sich darum kümmert, dass im Berliner Umland für ihre Besitzer uninteressant gewordene Streuobstwiesen (vor allem von Kitas, Schulen und Familien) ernten und verwerten zu lassen, damit sie nicht nutzlos und aufgelöst werden.
Weil Streuobstwiesen ein Refugium für alte Sorten sind und die Artenvielfalt (Biodiversität) auf landwirtschaftlichen Flächen zumindest erhalten werden soll, idealerweise gesteigert, fördert solche Initiativen neuerdings auch die Politik. Erwähnenswert ist hier vor allem das Bundeszentrum für Ernährung (BzfE), also das Kompetenz- und Kommunikationszentrum für Ernährungsfragen in Deutschland (https://www.bzfe.de/). Wen das näher interessiert: Hier geht es beispielsweise um das vom Bundesprogramm Ökologischer Landbau und andere Formen nachhaltiger Landwirtschaft (BÖLN) geförderte Projekt „Züchterische Erschließung und Nutzbarmachung pflanzengenetischer Ressourcen durch on-farm / in-situ Erhaltung und Positionierung von Produkten im Bio-Lebensmitteleinzelhandel“ (ZenPGR).
Ziel des Projekts (ZenPGR) ist es, Potenziale für die Gemüsezüchtung aus alten, nicht mehr auf dem europäischen Saatgutmarkt verfügbaren Gemüsesorten zu erschließen. Um deren genetische Vielfalt zu sichern, werden die Gemüsesorten aus der Saatgut-Genbank geholt und mit Hilfe von gärtnerischen Betrieben aus Berlin, Brandenburg und Sachsen zurück in den Anbau und in den Handel gebracht. Alte Gemüsesorten sind in ihrem Verhalten und in ihrer Erscheinung variabler als moderne Sorten. Diese Vielgestaltigkeit nutzt die Züchtung für die Entwicklung neuer Sorten für den Erwerbsanbau.
Auch wenn zu Recht Hoffnung für die alten Sorten besteht, weil sich doch schon so einige engagieren: Jeder kann mit anpacken.
Deshalb hier zum Abschluss noch eine Liste empfehlenswerter Anbieter für den Saatgutkauf alter Sorten:
https://shop.garten-des-lebens.de/samenfestes-saatgut/
sowie einer der (noch) wenigen Anbieter von Saatgut alter Gemüsesorten.
Hier findet ihr historische Raritäten alter, fast vergessener Gemüsesorten, darunter Tomaten, Auberginen, Kohlrabi, Kürbis und Mangold:
https://www.saat-und-gut.de/gemuese/alte-sorten/
Lasst euch inspirieren. 🙂
Autor: Andreas Monning