Der 36-jährige Physiker Ingo Barth lebt mit seiner Familie in Berlin und arbeitet dort am Max-Born-Institut für Nichtlineare Optik und Kurzzeitspektroskopie. Für seine Grundlagenforschung im Bereich der Physik und Chemie hat er bereits diverse Preise erhalten, aktuell ist er der academics-Nachwuchswissenschaftler des Jahres 2012.
Dieser Preis wird jungen Wissenschaftlern verliehen, die mit innovativen Ideen und beispielhaftem Handeln Wissenschaft und Forschung nachhaltig positiv beeinflussen.
Sein akademischer Weg war mit vielen Hürden gespickt: so hätte er zum Beispiel einen kompetenten Gebärdendolmetscher gebraucht, der die fachlichen Informationen seiner Dozenten entsprechend übersetzt. Da er diese Assistenz nicht bezahlen konnte, war er unter anderem darauf angewiesen, Mitschriften im Studium zu nutzen. Schließlich war er der erste Gehörlose, der als Chemiker promovierte.
Heutzutage übernehmen die Ämter die Dolmetschkosten, d.h. der Gehörlose muss auf Antrag die Kosten nicht bezahlen.
Seine wissenschaftlichen Erfolge freuen ihn umso mehr, weil sie jeweils kleine Meilensteine auf dem Weg gegen das Vorurteil der "dummen Tauben", mit dem immer noch viele Betroffene konfrontiert werden, sind. Wenn er keinen Gebärdendolmetscher an seiner Seite hat, kommuniziert er hauptsächlich über Emails oder handschriftlich. Seine Frau, die inzwischen selbst Gebärdendolmetscherin ist, lernte er während des Studiums kennen – seine beiden Kinder wachsen zweisprachig auf: Gebärdensprache und Deutsch sind ihre Muttersprachen.
Ingo Barth setzt sich für die Weiterentwicklung der Gebärdensprache ein und engagiert sich für den Aufbau der "European DeafUniversity". Diese wurde im März 2011 unter seiner Leitung in Berlin gegründet und soll sich innerhalb der nächsten zehn Jahre zu einer europäischen privaten oder staatlichen Universität mit Gebärdensprachkompetenz entwickeln. Europäische Gebärdensprachen und internationale Gebärden sind hier Standard im Unterricht. Die Universität soll aber keine separate Einrichtung nur für Gehörlose werden, sondern öffnet sich im Sinne der Inklusion für alle Studenten.
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