Weit mehr als Hoch­wasser­schutz: Deutschlands Flüsse werden renaturiert

Autor: Andreas Monning am 29. September 2025 

Flüsse und ihre natürliche Umgebung sind in unseren Breitengraden die vielfältigsten Lebensräume. Sie beheimaten zahllose Arten von Pflanzen, Tieren, Insekten und Mikroorganismen – vergleichbar mit dem Amazonas-Regenwald in Südamerika.
Flusslandschaften sind allerdings auch ein drastisches Beispiel dafür, wie sehr der Mensch in die Natur eingreift und natürliche Lebensräume nach seinen Vorstellungen umgestaltet.

Wünderschönes Foto der Isar in München - naturbelassen in schöner Herbststimmung.
Flaucher, Isarauen, München, Deutschland
Foto von Daniel Seßler auf Unsplash


Warum Renaturierung so dringend ist

Unnatürliche Landschaften, rasantes Artensterben und verheerende Flutkatastrophen haben deutlich gezeigt: Es muss sich etwas ändern.
Das Umdenken hat Fahrt aufgenommen. Zwar wird längst nicht alles getan, aber erstaunlich viele Projekte setzen mittlerweile daran an, Flüsse wieder in einen naturnahen Zustand zu versetzen.
Wie beim Wiedervernässen von Mooren ist das eine große Herausforderung – doch es gibt Hoffnung. Zahlreiche Beispiele zeigen, was möglich ist, wenn Menschen, Behörden und Organisationen gemeinsam handeln.


Hürden auf dem Weg zurück zur Natur

Ein großes Problem: Die Flächen, die für eine umfassende Renaturierung gebraucht werden, befinden sich oft in Privatbesitz.
Hinzu kommen die gewachsenen Strukturen entlang der Flüsse: Dörfer und Städte, Gewerbegebiete, Industrieanlagen, Wasserkraftwerke und Verkehrsinfrastruktur wie Straßen und Brücken.


Impulse aus Brüssel: Der Green Deal

Bemerkenswert ist, dass ausgerechnet die oft kritisierte EU den Stein ins Rollen brachte.
Der „Green Deal“ verpflichtet die Mitgliedsstaaten, ihre Flüsse in einen „guten“ Zustand zu bringen.
Grundlage dafür sind die Kriterien der Wasserrahmenrichtlinie von 2000, die erstmals eine umfassende Bewertung des ökologischen Zustandes europäischer Flüsse ermöglichen.


Wie der ökologische Zustand gemessen wird

Das Beziehungsgeflecht aller Komponenten eines Fließgewässers ist hochkomplex. Doch schon allein anhand der vorhandenen Arten lässt sich der Zustand ablesen.
Gewässerbiologen untersuchen dazu wirbellose Tiere, Wasserpflanzen, Algen und Fische.
Das Ergebnis ist ernüchternd: 2021 wurden lediglich acht Prozent der fast 9.000 deutschen Flüsse und Bäche (mit einer Gesamtlänge von über 130.000 Kilometern) als „gut“ oder „sehr gut“ eingestuft.


Wachsende Zahl an Renaturierungsprojekten

Ein kläglicher Befund – aber der Warnschuss aus Brüssel zeigte Wirkung. Fördermittel motivierten auch zögerliche Akteure, und die Zahl der Projekte wächst.
Gewässer- und Umweltverbände, Universitäten, Bund und Länder sowie Fischereiverbände arbeiten dabei Hand in Hand.
Werden auch die Anwohner einbezogen, profitieren alle Seiten, und die Begeisterung über gelungene Projekte ist groß.


Renaturierung von Flussläufen

Der erste Schritt ist die naturnahe Gestaltung der Gewässerläufe. Aus schnurgeraden Betonbetten dürfen Flüsse wieder „mäandrieren“, sich selbst gestalten und wandeln.

  • Flussufer werden so gestaltet, dass Vögel wieder Brutplätze finden, Biber, Kröten und Laubfrösche Lebensräume erhalten.
  • Kiesbänke dienen als Laichplätze für Fische.
  • Fischtreppen helfen, Wehre zu überwinden.
  • Totholz wie umgestürzte Bäume wird gezielt in die Flüsse eingebracht, um Jungfischen Rückzugsräume zu bieten.

🎥 Video-Tipps:

Beispiel: Deutschlands erster vollständig renaturierter Fluss, die Mitternacher Ohe im Bayerischen Wald.
🎥 Renaturierung der Mitternacher Ohe (BR)


Nutzen für Mensch und Natur

Renaturierungen zeigen: Auch die Anrainer profitieren.

  • Landwirte merken, dass ihre Felder in Dürreperioden nicht mehr austrocknen.
  • Angler freuen sich über wachsende Fischbestände.
  • Fischer können ihrem Beruf oder Hobby wieder besser nachgehen.

Die Wissenschaft begleitet diese Prozesse intensiv: Hochschulen erforschen Alternativen und zeigen Landwirten praxisnah, wie diese funktionieren.
🎥 Ökologie und Hochwasserschutz – Renaturierung begradigter Flüsse (BR24)


Renaturierung von Auen und Auenwäldern

Zu einem gesunden Fluss gehören auch seine Auen – die vom Hoch- und Niedrigwasser geprägten Niederungen neben dem Flussbett.
Die Wälder in diesen Niederungen, die Auenwälder, sind ebenfalls vom Hoch- und Niedrigwasser geprägt und weisen eine sehr artenreiche Flora und Fauna auf.

Es ist besonders wichtig, sie im Zuge der Renaturierung des Flusses ebenfalls wiederherzustellen, weil sie zu den biologisch produktivsten und vielfältigsten Ökosystemen unserer Erde gehören.
Etwa zwei Drittel aller Lebensgemeinschaften von Tieren, Pflanzen, Pilzen und Mikroorganismen Mitteleuropas kommen in Auen und ihren Wäldern vor – eine genetische Vielfalt, die der in tropischen Mangrovenwäldern nahekommt.

Ein starkes Argument für den Menschen, Auen zu erhalten oder zu renaturieren, ist der Hochwasserschutz.
Auen sind natürliche Rückhaltegebiete, die uns Menschen und unsere Bauwerke so effektiv wie keine künstlich angelegten Vorrichtungen vor Überflutungen schützen.
🎥 Video: Ökologie und Hochwasserschutz – Renaturierung begradigter Flüsse (BR24)


Erfolgreiche Projekte der Auen-Renaturierung

 

Autor: Andreas Monning

Kategorien: Erfolgsgeschichten, Umwelt Rubriken: Erde, Pflanzen, Tiere, Wasser

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