In Deutschland gibt es immer weniger Bauern. Lag die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe 1950 noch bei rund 4,7 Millionen, ging sie bis 1989 auf etwa 900.000 zurück. Ein rasanter Sinkflug, der sich fortsetzte, denn während 1995 knapp 400.000 Landwirte aktiv waren, gab es 2022 gerade einmal noch etwa 256.000. Konsequenz: Ein Mitarbeiter in der Landwirtschaft ernährte 1949 grade einmal 10 Personen, heute sind es bereits 137.
Je weiter man in der bundesdeutschen Geschichte zurückblickt, desto eher erzählen die Zahlen vor allem vom Wandel einer Agrar- zu einer Industriegesellschaft. Heute aber kapitulieren vor allem kleinere Betriebe vor dem Preisdruck, den der zum Teil politisch gewollte Lebensmittelmarkt erzeugt. Lebensmittel sollen unbedingt billig sein. Das Landwirte den laufenden Hof schließen ist die Ausnahme, in den meisten Fällen gibt es ganz einfach keinen Hofnachfolger. Die jüngere Generation kann sich immer seltener vorstellen, das Leben und den Kampf der Eltern fortzuführen, entscheidet sich für andere Berufe - und verkauft den Hof. Die Betriebe die weitermachen, kaufen Flächen dazu und intensivieren Anbau und Nutztierhaltung, um weiterhin wirtschaftlich produzieren und überleben zu können. Die Nachteile kennen wir: Immer größere Monokulturen und Rückgang der Artenvielfalt, Übernutzung und Überdüngung der Böden, massiver Einsatz von Pestiziden und Artensterben, Massentierhaltung unter oft katastrophalen Bedingungen.
Aber glücklicherweise sind nicht alle Bauern dazu bereit, weiter nach den Spielregeln des Marktes zu spielen. Und erfreulicherweise erkennen auch immer mehr Verbraucher, dass etwas schief läuft und sie über ihr Kaufverhalten Einfluss darauf haben, wie sich der Markt entwickelt. So ist eine Gegenbewegung entstanden, in der sich Bauern und Verbraucher zusammen tun, um nach eigenen Regeln zu spielen. Diese Spielregeln sind wieder wesentlich sozialer und ökologischer, berücksichtigen in ganz anderem Maße wieder das Tierwohl und lassen sich in einem Satz zusammenfassen: Bemühen um Nachhaltigkeit, sozial und ökologisch. Die Bewegung nennt sich „solidarische Landwirtschaft“ (SoLaWi).
Wer lieber im Video den Machern selber zuhören und zuschauen möchte, findet im nächsten Absatz schöne Beispiele verlinkt...
Des Prinzip geht so: Wenn ein Bauer sich für die solidarische Landwirtschaft entscheidet und bereit ist, sich mit einer Abnehmergemeinschaft zusammen zu tun, macht er das öffentlich bekannt (was heute durch das Internet wesentlich leichter geht und von Zusammenschlüssen wie dem Netzwerk Solidarische Landwirtschaft e.V. https://www.solidarische-landwirtschaft.org/startseite/ unterstützt wird.) Der zur Veränderung und Gründung einer SoLaWi bereite Landwirt gibt potentiellen Interessenten mit seiner Bekanntmachung eine Idee, welche Produkte sein Hof herstellen kann (Beispielsweise Obst, Gemüse, Eier, Milchprodukte usw.) und lädt zu Hofbesichtigungen ein.
Wenn sich dann nach und nach eine Interessengemeinschaft bildet, trifft man sich zu Gesprächen. Bei diesen Versammlungen legt der Bauer offen, welche Produkte er zu welchen Kosten erzeugen könnte und ob er beabsichtigt, seine gesamte Ernte an die Abnehmergemeinschaft abzugeben oder nur einen Teil. Die Teilnehmer der Gemeinschaft beraten dann, ob sie das Angebot so annehmen oder etwas anders haben möchten. Schließlich wird ausgerechnet wie viel jeder einzelne monatlich beitragen müsste, um die Kosten des Betriebes zu decken. Wenn sich schließlich alle einig sind, unterschreibt man Verträge und der Bauer beginnt, Anbaupläne umzusetzen. Von da ab versorgt der Bauer die Abnehmergemeinschaft und beliefert sie regelmäßig (meist wöchentlich) mit frischem Gemüse, Obst und den sonstigen vereinbarten Produkten. Die Abnehmergemeinschaft hat garantiert frische, regional und ökologisch produzierte Lebensmittel, der Bauer eine sichere finanzielle Basis ohne Preiskämpfe – und die Natur wird ganz nebenbei auch noch entlastet.
In diesem knackig kurzen Beitrag erklärt Marie, die junge Nachfolgerin des Tiggeshofs im Sauerland (NRW), wie Solidarische Landwirtschaft funktioniert, warum Ihr Vater und sie sich dafür entschieden haben und wie sie die SoLaWi des Tiggeshofes aktuell aufbauen: https://www.solawi-tiggeshof.de/de.
Ausführlicher und wunderbar anschaulich nimmt uns de Bäuerin des Dollingerhofes (Gemeinde Thalmassing, Oberpfälzer Landkreis Regensburg, Bayern) mit in die Welt ihrer SoLaWi
Wenn die Menschen sich zusammentun können solch großartige Projekte entstehen, welche für Mensch, Tier und Natur von großem nachhaltigem Vorteil sind – fernab von vorgegebenen Strukturen, die letztlich niemals das Wohlergehen aller im Fokus haben.
Alle weiteren Infos zum Thema Solidarische Landwirtschaft findet ihr hier:
https://www.solidarische-landwirtschaft.org/startseite/
Danke lieber Andreas für diesen wunderbaren Beitrag! ♥