Die Wissenschaft weiß, dass man aus Löwenzahnsaft Kautschuk gewinnen kann. Die Eignung des Löwenzahn-Kautschuks für die industrielle Fertigung war aber nicht so einfach zu realisieren. Das Fraunhofer-Institut für Molekularbiologie und Angewandte Ökologie IME in Münster optimierte in den letzten Jahren zusammen mit Partnern aus Industrie und Wissenschaft die Züchtung des Löwenzahns und die Produktionstechnik.
Jetzt bauen die Forscher zusammen mit dem Reifenhersteller Continental eine Pilotanlage in Münster, um die erforderlichen großen Mengen an Löwenzahn-Kautschuk für die Reifenherstellung zu gewinnen. Damit schafft man einen Meilenstein auf dem Weg zur Kautschukproduktion in Europa. Mit dem Projekt, das anfangs Oktober offiziell an den Start ging, will man in den nächsten fünf Jahren den Produktionsprozess so weit entwickeln, dass Continental aus dem Kautschuk des Löwenzahns Reifen herstellen kann.
Die ersten Praxistests mit Gummireifen aus Löwenzahn-Kautschuk sollen bereits in den kommenden Jahren auf unseren Straßen durchgeführt werden. Der Kautschuk aus dem Löwenzahn hat die gleiche Qualität wie der aus den subtropischen Ländern importierte Kautschuk, der bekanntlich aus dem Gummibaum gewonnen wird. Er kann jedoch wesentlich günstiger gezüchtet und geerntet werden und man kann ihn in Deutschland als nachwachsenden Rohstoff anbauen. Wichtig ist dabei, dass man dafür auch Flächen verwenden kann, die für bisherige Nutzpflanzen ungeeignet sind.
Prof. Dr. Rainer Fischer vom IME in Aachen sagt: "Durch modernste Züchtungsmethoden und anlagentechnische Optimierung ist es uns gelungen, hochwertigen Naturkautschuk aus Löwenzahn im Labor herzustellen. Jetzt ist die Zeit reif, diese Technologie über den Pilotmaßstab hinaus zur industriellen Reife zu bringen. Mit Continental haben wir einen kompetenten Partner gefunden, mit dem wir das nun für die Produktion von Reifen schaffen wollen." Nikolai Setzer, Vorstandsmitglied bei Conti, argumentiert: "Wir investieren in dieses vielversprechende Materialentwicklungs- und Erzeugungs-Projekt, weil wir überzeugt sind, dass wir dadurch unsere Reifenproduktion langfristig weiter verbessern können. Denn die Kautschuk-Gewinnung aus der Pusteblumenwurzel ist deutlich wetterunabhängiger möglich als die vom Gummibaum und eröffnet aufgrund ihrer agrarischen Anspruchslosigkeit ganz neue Potentiale – insbesondere für heute brachliegende Anbauflächen. Durch den Anbau in viel kürzerer Entfernung zu unseren Produktionsstandorten würden wir darüber hinaus in nennenswertem Umfang sowohl die Umweltbelastung als auch den Logistikaufwand senken."
Zur Züchtung des Löwenzahns äußerst sich Projektleiter Prof. Dr. Dirk Prüfer vom IME in Münster: "Wir haben uns in den letzten Jahren ein großes Know-how in Sachen Löwenzahnzüchtung aufgebaut. Mit Hilfe von DNA-Markern wissen wir nun, welches Gen für welches Merkmal verantwortlich ist. Die Züchtung von ertragreichen Pflanzen ist so wesentlich effizienter möglich."
Zur Produktion eignet sich der aus Russland stammende Löwenzahn, denn nur diese Art liefert Kautschuk in Form von weißem Latex-Saft in großen Mengen. Prof. Dr.-Ing. Reimund Neugebauer, Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft sagt stolz: "Mit der neuen Technologie können wir einen nachhaltigen Vorsprung für die deutsche Automobilindustrie erreichen. Zum einen macht sie die heimische Wirtschaft unabhängiger von Rohstoffimporten. Zum anderen reduziert sie die Transportwege und verbessert die CO2-Bilanz."
Wer hätte das gedacht, dass in der kleinen Pusteblume, die so manchen Hobbygärtner wegen ihrer ungewollten Verbreitung auf seinem Vorgartenrasen zur Weißglut treibt, ein solches Potential steckt? 😉
Quelle: fraunhofer.de