Nach einem zu kalten, zu nassen und zu dunklen Frühjahr und Frühsommer kam heuer der von vielen herbeigesehnte Hochsommer ab Anfang Juli mit großer Wucht. Temperaturen von deutlich über dreißig Grad Celsius, wenig Niederschlag und viel Sonne waren von da ab deutschlandweit mit wenigen Ausnahmen an der Tagesordnung.
So ein Hitzesommer ist geradezu Gift für die Gletscher in den Alpen, die seit vielen Jahrzehnten Sommer für Sommer teilweise dramatische Längen- und Masseverluste hinnehmen müssen.
Dieses Jahr war aber einiges anders als sonst. Die Starkniederschläge im Frühjahr und im Frühsommer, die in den Hochregionen der Alpen durchweg als Schnee fielen, verschafften den Gletschern ein dickes Polster. Alexander Radlherr, Meteorologe bei der Ubimet, einem privaten österreichischen Wetterdienst, sagte gegenüber der Tiroler Tageszeitung: "Die markanten Neuschneezuwächse von Mitte Mail bis Anfang Juni haben uns vor einem katastrophalen Gletscherjahr bewahrt. Hätten wir diesen Schneepolster nicht gehabt, wären ähnliche Schmelzraten wie im Hitzejahr 2003 zu erwarten gewesen." Der extreme Wetterverlauf dieses Sommers mit heftigen Niederschlägen, die sich mit Hitzewellen ablösten tat ein Übriges. Das hatte zur Folge, dass die schützende Schneedecke auf den Eisriesen überdurchschnittlich stark war und deshalb länger der Sonne standhalten konnte als sonst. Wenn ein Gletscher im Hochsommer schneefrei wird, sieht man eine graue, eher unansehnliche Masse aus Eis. Diese relativ dunkle Farbe absorbiert wesentlich mehr Sonnenwärme als der helle Schnee, der die Sonne besser reflektiert. Da in diesem Sommer einige Gletscherzungen ständig mit Schnee bedeckt waren, kann man in diesen Fällen davon ausgehen, dass diese Gletscher gar nichts an Länge eingebüßt haben.
Nach den letzten, eher zarten Gletschervorstößen anfangs der Siebzigerjahre, ist dies quasi ein Achtungszeichen, das hier die Gletscher senden. Ob es eine Einzelerscheinung in diesem Jahr ist oder ob es in den nächsten Jahren so weitergeht, vermag natürlich niemand vorauszusagen.
Jeder, der schon einmal im Hochgebirge war und die Eisriesen aus nächster Nähe gesehen hat, wäre wohl froh, wenn diese mächtigen Trinkwasserspeicher, die so empfindlich auf Klimaänderungen reagieren, in den nächsten 100 Jahren nicht aus den Alpen verschwinden würden.
Quelle: tt.com