2002, ich war noch keine zwanzig, schrieb ich einen Brief, der mein Leben verändern sollte – der Adressat, Duong, hat später während der turbulentesten Zeit meines Erwachsenwerdens viel dazu beigetragen, dass ich nie den Halt verloren und letztendlich trotz einiger Rückschläge immer eine positive Einstellung zum Leben behalten habe.
Das besondere daran? Duong ist ein verurteilter Mörder und sitzt in der Todeszelle.
Duong wurde 1976 in Südvietnam geboren. Als er fünf Jahre als war, floh er mit seinem Vater aus den Nachkriegswirren – die Mutter und seine restlichen Geschwister blieben in Vietnam. Der Vater ließ ihn in einem Waisenhaus in Deutschland zurück und siedelte letztendlich in die USA über; Duong folgte ihm nach mehreren Stationen in deutschen Pflegefamilien nach Houston, Texas. Dort verbrachte er seine Jugend unter schwierigen Umständen bei einer Tante und einem Onkel, und geriet schon früh auf die schiefe Bahn. Mit zwanzig Jahren erschoss er bei einem Raubüberfall einen Mann. Seitdem sitzt er im Todesstrakt von Huntsville.
Im Gefängnis begann er zu lesen und kam mit dem Christentum in Kontakt. Das veränderte sein Leben radikal. Er begann zu beten und schlug einen spirituellen Weg ein. Er tauschte sich mit anderen Christen aus. Er erkannte seine Schuld an und bat um Vergebung, sofern die Tötung eines Menschens vergeben werden kann. Darüber hinaus lernte er auch, jenen zu vergeben, die sein Leben auf die schiefe Bahn geführt hatten – insbesondere seinem alkoholkranken Vater und seinen Verwandten, die ihn missbraucht und misshandelt hatten.
Duong hat über seine Brieffreundschaften Kontakt mit vielen Menschen aufgenommen. Er ist für sie wie ein Beichtvater, dem sie alles erzählen können – mit seiner freundlichen Ehrlichkeit, seiner absoluten Zuverlässigkeit und seiner Engelsgeduld ist er für seine Brieffreunde da, und begleitet sie durch schwierige Phasen in ihrem Leben. Er möchte, so sagt er, "die Welt über die Mauern des Gefängnisses hinaus bereichern". Er hat Frieden mit seiner Vergangenheit geschlossen – und wenn ein verurteilter Mörder das kann, dann gibt es auch für andere Fälle Hoffnung. So hat er sein scheinbar sinnloses Dasein – er wartet seit beinahe fünfzehn Jahren in einer kargen 6 Quadratmeterzelle auf seine Hinrichtung – mit so viel Sinn gefüllt, wie es ihm irgendwie möglich ist.
Kann man einen Mann, der einen Mord begangen hat, wirklich als einen Helden des Alltags aufführen, ohne die Auslöschung eines Menschenlebens zu bagatellisieren?
Das kommt auf den Blickwinkel an, aus dem heraus man eine Bewertung versucht.
Jeder Mensch macht Fehler, und Duong hat einen Fehler gemacht, der einem anderen Menschen das Leben kostete. Er nimmt diese Schuld an und büßt dafür, wie das Gesetz es vorsieht. Darüber hinaus hat er schon vielen Brieffreunden in ihren dunkelsten Stunden beigestanden, ohne eine Gegenleistung zu verlangen. Ein solches Verhalten darf auch bei einem Todestraktinsassen honoriert werden.
Autor: Sillikina C.